Wenn sich vor 25-30 Jahren ein Ehepaar trennte, war das, im Gegensatz zu heute, exotisch - und vorallem damit verbunden "schmutzige Wäsche" zu waschen. Passiert sicher heute auch, aber früher war dieses Waschen für die Gerichtbarkeit ein wichtiger Aspekt und erst recht wichtig für das Sorgerecht evtl. vorhandener Kinder - die "Schuldfrage" wurde das wohl genannt. Ich bin eines dieser "Schuldfrage"-Scheidungskinder.
Ein wichtiges Bindeglied zwischen den Parteien war meine Oma. Regelmässig durften wir sie besuchen. Meine Oma wohnte in Füssen und ich weiß noch, dass wir diese Reise zu meiner Oma oft mit dem Bus unternommen haben. Drei kleine Stöpsel, die dem Busfahrer übergeben wurden. Halbe Strecke - umsteigen und da standen drei Wutzel an einer Bushaltestelle und warteten auf den nächsten Bus, der sie zur Oma bringen sollte. Ehrlich gesagt, weiß ich gar nicht mehr, ob wir wirklich sooo klein waren, mir kommt es aber so vor. Sicher waren ich schon im Alter von 10 Jahren oder so, aber wenn ich heute darüber nachdenke, dann hab ich ein komisches Gefühl und das Gefühl von "viel zu klein" um das alles ohne Schaden zu überstehen.
Egal - die Zeiten bei meiner Oma waren herrlich. So richtige Oma-und Enkelzeiten. Mit vielen Aktionen, die es im normalen Alltag nicht gab. Es waren Zeiten vollgefüllt mit "Zeit für die Kinder".
Jeden Morgen wurden wir von meiner Oma mit kleinen "guten-Morgen-Grüssen" willkommen geheissen: Guten Morgen mein Schatz, nimm bitte Platz - ich hoffe du hast gut geschlafen? Im Traum vielleicht gelacht und mir davon etwas mitgebracht? .. der Spruch ging noch weiter, leider bringe ich ihn nicht mehr zusammen..
Hm... warum mir das jetzt alles einfällt? Gestern war der Todestag meiner Oma - und es ist morgen..
Ja, ich bin auch eines dieser "Schuldfrage"-Scheidungskinder...und erinner mich an viele bedrückende Dinge und Auseinandersetzungen zwischen den Fronten meiner Eltern.
Es ging nicht wirklich um uns 4 Kinder und die Liebe zu uns,sondern um Macht und finanzielle Intressen, wie ich leider später schmerzhaft erkennen mußte.
Für mich war meine Oma in dieser Zeit eine Oase der Liebe, Ruhe und Geborgenheit.Gefühle, die mir meine Eltern nicht geben konnten.
Abends hat sie immer ihren Dutt geöffnet
und ihr langes, bis zum Po reichendes, silbergraues Haar fiel herab,
wie im Märchen von Rapunzel...ich fand das immer wunderschön ihr beim Kämmen zuzusehen...
Sie starb als ich 12 Jahre alt war, aber ich werde sie niemals vergessen.
Ich vermisse sie auch heute immer noch...
LG aus Köln
Sylvie
vom 07.01.2005, 13.04